Das amtlich verordnete Verschwinden einiger privater Nachbarschaftsbänkle sorgte diesen Sommer für allerhand Gesprächsstoff im Lehenviertel. Jetzt kommt zumindest an einem Ort eine offizielle Lösung.

Zur Erinnerung: Vor dem Haus der Bohne-Brüder in der Liststraße 18 standen bis in den Sommer zwei massive Holzklötze, die den Nachbarn der Umgebung als Bänkle, Ruheplatz und Treffpunkt dienten. Ein paar Meter weiter stand auch vor dem Kinderladen „Wunderschöne Dinge“ an der Ecke List-/Römerstraße eine Bank.

Ob es daran lag, dass sich die Nachbarschaft bisweilen auch am späteren Abend auf den Bänken traf, redete und das eine oder andere Bierchen trank und damit Nachbarn verärgerte? Oder doch nur am Buchstaben des Gesetzes, das die „private Möblierung des öffentlichen Raums“ nicht erlaubt? Eines Tages flatterten den privaten Bänkle-Aufstellern jedenfalls amtliche Bescheide ins Haus: Sie mussten das Mobiliar schleunigst entfernen. Was sie auch taten. Wo kämen wir denn sonst hin?!

Kein Ort zum Ausruhen

Wenn etwas fehlt, dann fällt es vielen Menschen erst so richtig auf. So ging es zahlreichen Nachbar:innen, die sich gern auf dem Weg durchs Viertel auf solchen Bänkle niederlassen. Da gibt es zum Beispiel eine betagte Dame, die am Falbenhennenplatz wohnt und gern zum Abendessen ins Gasthaus Lehen läuft. Sie schafft den Weg nicht mehr am Stück – und nutzte stets eines der Ruhebänkle für eine Pause unterwegs.

Katharina, eine unserer Unterstützerinnen aus dem Viertel, berichtete von ihrer Tochter, die wegen einer körperlichen Einschränkung ebenfalls öfters eine Pause auf dem Weg von der Schule nach Hause einlegen muss. Ähnlich geht es Tilmann, einem älteren Herrn aus der Zellerstraße.

Beliebte Bank am Lehen

Ein Nachbarschaftsbänkle ist derzeit hoch im Kurs, wenn auch nur temporär geduldet: Die erweiterte Corona-Außengastrofläche am Gasthaus Lehen bietet direkt an der Ecke Lehen-/Liststraße eine eigens gezimmerte Bank. Zurzeit sitzen hier täglich Menschen mit schweren Einkaufstüten neben sich oder auf den Stock aufgestützt, die auf dem Weg vom Marienplatz Richtung Lehenviertel oder noch weiter bergan ein Päuschen einzulegen.

Temporäres Corona-Bänke: Am Rande des Lehen-Parklets sitzen häufig Fußgänger:innen. (Foto: R. Otter)

Auch unser Mitstreiter Dr. Berthold Stelzer hat das Thema „Ruhebank“ kreativ gelöst. Vor seiner Apotheke steht zu den Geschäftszeiten eine mobile Bank, die offenbar von den Behörden geduldet wird. Der Trick: Sobald die Apotheke schließt, verschwindet die Bank – zusammen mit einem Fahrradständer und einem Kundenstopper – im Laden. Vermutlich gilt die Bank dank ihrer beiden Rangierrollen als Fahrzeug. Und bekanntermaßen wird das Parken von Fahrrädern, eScootern und Motorrädern von den Ordnungsbehörden unserer Stadt ja aktiv geduldet: Motorräder, die auf der Straßen parken, bekommen eher ein Knöllchen als solche auf dem Gehweg. Denn auf der Straße bräuchten sie einen Anwohnerparkausweis.

Ruhebank erfolgreich angefragt

Zwei Straßen weiter nahm Katharina vom Team „Ideen fürs Lehen“ das Thema kurzentschlossen in die Hand. Sie schrieb eine gelbe Karte an die Stadt Stuttgart: Ob und wie es möglich sei, die Nachbarschaftsbänkle wieder zu installieren und zu dulden. Schließlich seien die Gehwege an vielen Orten breit genug und die Bänke störten niemanden wirklich (wenn, dann stören schließlich nicht die Bänke, sondern höchstens Menschen, die zur Unzeit dort sitzen und Lärm verursachen). Sie verwies auf ihren persönlichen Bedarf und die Berichte anderer Menschen, die es im Alltag langsamer angehen müssten.

Hier können müde Wandersleute demnächst wieder rasten. (Foto: R. Otter)

Die Antwort kam postwendend aus dem Tiefbauamt: An der Kreuzung Römer-/Liststraße sei genug Platz für eine Bank. Schließlich sei der Gehweg im Bereich des Fußgängerüberwegs vor dem Kinderladen mit einer Gehwegnase verbreitert. Man kläre noch, aus welchem Budget die Bank finanzieren würde, aber im Grunde sei auch das kein Problem.

Kurzum – zwei Wochen später kam auf Nachfrage die geniale Bestätigung: Das Sitzmöbel sei bestellt, geplante Lieferung in Kalenderwoche 50. Wenn also alles nach Plan läuft, dann ist zumindest die Ecke Römer-/Liststraße zu Weihnachten wieder ein Ort zum Ausruhen – offiziell von Amts wegen genehmigt, aufgestellt und versichert.

Es lohnt sich, Vorschläge zu machen

Wir finden diese schnelle und unbürokratische Hilfe großartig und freuen uns wie Bolle über diese Aktion – über die Initiative von Katharina und über die Reaktion der Stadt. Man muss dazu auch sagen, dass solche Goodies in unserer reichen Stadt mit ihren vielen Budgets, zum Beispiel auch für den Fußverkehr oder aus Garten-, Friedhofs- und Forstamt nur sehr selten am Geld scheitern. Aber natürlich wissen die Menschen in den Ämtern nicht immer, wo genau Bedarf für die eine oder die andere Maßnahme besteht.

Und natürlich bekommt auch das Bauamt keine Info vom Ordnungsamt, wenn dieses anordnet, dass privat aufgestellte Möbel entfernt werden sollen. Denn das eine Amt ist für die Einhaltung der Ordnung zuständig (Bänke weg!) und das andere im Zweifel für die Gestaltung des öffentlichen Raums (Bedarf für Bänke). Da sind wir auch als Bürger gefragt – und eben der schnelle Kanal in die Verwaltung in Form einer gelben Karte. Vorteil: Man muss nicht lange suchen, wer oder welches Amt zuständig ist. Die Gelbe-Karte-Stabsabteilung leitet jede Anfrage automatisch an die richtigen Ämter weiter.

Warum einfach, wenn’s auch offiziell geht?

Es bleibt natürlich die Frage, ob und wie Bewohner:innen künftig wieder selbst Sitzgelegenheiten aufstellen dürfen und welche Regeln wir uns als Stadtgesellschaft dazu geben. Denn noch immer stehen wesentlich mehr geparkte Fahrzeuge auf den Gehwegen entlang der Liststraße als es jemals private Bänkle gab. Gerade jetzt im Zeichen von Kontaktbeschränkungen und geschlossenen Gaststätten sind kleine Ruheorte wie etwa der Stehtisch vor dem Kiosk „Schlagzeile“, das Bänkle vor dem Lehen oder die Tische beim Bäcker Frank Orte, wo man zumindest kurz und unter Einhaltung aller Abstandsgebote ein paar Takte mit Nachbarn reden kann.

Nennen wir den Nachbarschafts-Schwatz in diesen Zeiten einfach mal „Seelenmassage to Go“. Orte dafür brauchen wir viel mehr. Dafür sollte uns der Raum im Viertel etwas wert sein. Ideal wäre es, wenn die Gehwege an diesen Orten so breit sind, dass wartende Kundschaft, schwätzende Nachbarschaft und vorbei gehende Fußgänger:innen problemlos aneinander vorbei kommen. Womit wir wieder bei der „Begegnungszone Klein List“ und lauter praktische Maßnahmen drumherum wie etwa verbreiterte Gehwege mit Baumbeeten und Sitz- oder Stehgelegenheiten an allen Kreuzungen sind. Eben um die Verbesserungen, um die es in unserer Initiative geht.

Gebt gerne Feedback, unterstützt die Initiative und sagt, wie Ihr Euch das Viertel mit mehr Grün und mehr Platz vorstellt: