Eben kam ich mal wieder an der Metzgerei Wallisch vorbei, als eine kleine Viertelrundgang-Gruppe gerade vor dem Laden ihre Maultaschen-Probiererle bekamen. Im Stehen, von einem etwas labilen Tablett aus der Hand serviert. Ich finde diese Viertelrundgänge total nett. Allerdings muss man sich zurzeit schon etwas an den Grüppchen vorbei quetschen und dabei kurz die Luft anhalten – Mindestabstand, Aerosole und so.

Aber auch sonst: Wäre es nicht viel schöner für die Besucher:innen unseres Viertel, wenn für solche Zwecke ein, zwei Bänke, ein Blumenkübel und ein Steinquader neben dem Zebrastreifen an der Straße stünden? Für den samstäglichen Schwatz unter Nachbarn natürlich erst Recht.

Stimmt, hier ist schon etwas mehr Platz als anderswo. Aber wäre es nicht toll, wenn man sich vor der Metzgerei auch mal zu einem Schwatz niederlassen kann? (Foto: R. Otter)

Ja ich weiß, dort ist ein Parkplatz. Da steht ein Auto, das normalerweise durchschnittlich 1,3 Personen transportiert. Wenn es nicht gerade durchschnittliche 23 Stunden am Tag steht. Mal hier, mal woanders.

Wie komme ich gerade jetzt darauf? Ich habe in Christine Lehmanns Blog etwas Inspirierendes dazu gelesen. Christine sitzt als Grüne Stadträtin für den Stuttgarter Süden im Gemeinderat. Und sie engagiert sich fürs Radfahren – neben ihren Beiträgen im Stadtparlament auch in ihrem mehrfach preisgekrönten Blog „Radfahren in Stuttgart“. Sie unterstützt dabei nicht nur den Radverkehr, sondern setzt sich für eine gerechte Verkehrswende ein, die öffentliche Flächen gerecht für Menschen verteilt – statt für bestimmte Verkehrsmittel.

Ganz bemerkenswert zeigt sie in ihrem aktuellen Blogbeitrag, was diese Gleichberechtigung in der Konsequenz bedeutet: Heute parken Autos scheinbar automatisch überall dort, wo es nicht ausdrücklich verboten ist. Alle anderen Verkehrsteilnehmer – einschließlich dem „ruhenden Verkehr“ stehender oder sitzender Fußgängern oder parkender Fahrräder – sollen sich dagegen gefälligst in ihren individuell zugewiesenen Parzellen aufhalten. Also ausschließlich auf Gehwegen oder Privatgrundstücken. So ist zumindest die offizielle Lesart vieler Akteure der Stadtpolitik.

Hier parkten bisher drei Autos. Nun können sich hier mehr als 20 Menschen im Freien mit Corona-konformem Mindestabstand treffen. Solche Orte wären auch außerhalb von Außengastro ein echter Gewinn. (Foto: R. Otter)

Der Perspektivwechsel raus aus dem Auto und dessen Parkplatz und rein in den öffentlichen Raum lohnt sich aber für alle. Schauen wir mehr danach, wo viele Menschen Aufenthalts- und Bewegungsraum benötigen können. Schauen wir, wo wir mit mehr Raum auch mehr Menschen auf die Straße und rund um unsere Geschäfte im Viertel bekommen. Nutzen wir diese Räume, um Platz für Viele zu schaffen statt nur Parkplätzen für jeweils Wenige. Die provisorischen Außengastroflächen am Lehen oder in der Tübinger Straße am Galao, Arigato oder Noir sind tolle Beispiele dafür: statt weniger unbenutzter Autos können sich dort nun viele Menschen sicher draußen treffen.

Solche Räumen brauchen wir aber auch und erst Recht außerhalb der Außengastro. Nicht Jede:r kann und will ständig konsumieren, wenn man zusammensitzt. Gerade jetzt, wo wir angehalten sind, Abstand zu halten und Versammlungen in Innenräumen zu meiden – und trotz sicherer Distanz zusammenhalten wollen. In unserem Wohnviertel ist der Platz draußen so schön und auch so großzügig, dass locker genug Raum zum Parken für alle wirklich notwendigen Autos ist – die z.B. auch tatsächlich zu Menschen im Viertel gehören. Und dass dennoch viel mehr Raum für Leute bleibt, die gern draußen sitzen, stehen, spielen, treffen, essen oder trinken. Und für mehr Grün. Und für parkende Fahrräder, die keine Gehwege versperren.

Lest Euch den Beitrag von Christine Lehmann durch und überlegt , welche Plätze es sonst noch gibt, wo Ihr gern herumsteht und dafür mehr Platz haben wollt. Schreibt sie uns – am besten über unser Mitmachen-Formular. Wir werden die Ideen sammeln, hier darüber berichten und bald mit einem Konzept für Klein List und weiteren Verbesserungen fürs Lehenviertel an die Öffentlichkeit gehen.